Sustainable Finance: gestern, heute, morgen

Trend "Sustainability"

Schon seit einigen Jahren kommt man um die Schlagworte "green" und "sustainable" nicht mehr herum, wenn man sich mit Anlagemöglichkeiten am Kapitalmarkt beschäftigt. Die Nachfrage zeigt: Der Trend zur "Sustainability", also zur Nachhaltigkeit, scheint nicht bloß kurzlebig. Dass sich nachhaltige Produkte während der herausfordernden Covid-Zeit als relativ krisenfest erwiesen, dürfte dazu beitragen, dass die Nachfrage in Zukunft sogar noch steigen wird.

Sustainable Finance hat sich also bereits einen Namen am Kapitalmarkt gemacht und liegt ganz im Trend. Was es allerdings mit vielen anderen Trendphänomenen gemein hat: Niemand weiß genau, was sich dahinter konkret verbirgt. Insbesondere in der Fonds- und Versicherungsanlagewelt gibt es zwar unzählige Produkte, die sich alle selbst als nachhaltig beschreiben. Derzeit fehlt es aber an klaren Regeln, wer sein Produkt unter welchen Voraussetzungen mit diesem Etikett versehen darf.

Das soll sich nun mit einer Reihe von europäischen Gesetzesvorhaben ändern:

  • Mit der bevorstehenden (derzeit erst als Entwurf vorliegenden) Taxonomie-Verordnung will der europäische Gesetzgeber Klarheit in die Gemengelage verschiedener Definitionen bringen und dem Anleger erleichtern, wirklich grüne Produkte von solchen zu unterscheiden, die nur "grün gewaschen" sind.
  • Im Unterschied zur Taxonomie-Verordnung wurde die Offenlegungs-Verordnung bereits beschlossen, trat allerdings noch nicht in Kraft. Aufgrund dieser Verordnung müssen sämtliche Finanzmarktteilnehmer (zB Banken und Versicherungen) zukünftig wesentliche Nachhaltigkeits-Informationen über sich selbst und ihre Produkte offenlegen, zB weshalb ein Produkt konkret nachhaltig sein soll oder wie das Unternehmen mit Nachhaltigkeitsrisiken umgeht.
  • Im Bereich der Anlageberatung sollen neue Delegierte Verordnungen bestimmen, wie im Anlage- und Beratungsprozess mit Wünschen der (potenziellen) Anleger nach nachhaltigen Produkten umzugehen ist.

Das Problem

Das Problem dabei ist, dass die Frage nach dem Verständnis von Nachhaltigkeit oft stark von ideologischen, politischen und wirtschaftlichen Standpunkten und Interessen geprägt ist. So wird Wasserkraft als nachhaltig angesehen; wenn es aber um den Bau eines neuen Kraftwerks geht, sind Naturschützer oft dennoch nicht begeistert. Eine Anleihe zur Finanzierung der Entwicklung von Elektroautos werden viele als "green" einstufen; andere verweisen aber auf die Probleme durch die Herstellung und Entsorgung der Batterien.

Auch die österreichische Finanzmarktaufsicht beschäftigt sich mit dem Thema. Obwohl die Behörde in den letzten Jahren sonst eher zurückhaltend war, veröffentlichte sie just zum Thema Nachhaltigkeitsrisiken einen Leitfaden (derzeit noch im Konsultationsverfahren). Zielgruppe sind, da es sich um ein klassisches Querschnittsthema handelt, alle Beaufsichtigten. Der Leitfaden gibt einen recht anschaulichen und praxisnahen Überblick mit zahlreichen Beispielen, wie Beaufsichtigte aus Sicht der Behörde mit Nachhaltigkeitsrisiken umgehen sollen. Wie aber auch bereits die Wirtschaftskammer in ihrer Stellungnahme zum Leitfaden anmerkte, beschäftigt sich die Behörde dabei ausschließlich mit Nachhaltigkeitsrisiken – und verliert kein einziges Wort über die Nachhaltigkeitschancen. Das sollte tatsächlich noch ergänzt werden, die einseitige Konzentration auf die Schwierigkeiten tut gerade diesem Thema sicher nicht gut.

Auf den Punkt gebracht

Zusammengefasst wird auf das Thema Nachhaltigkeit in den nächsten Monaten und Jahren eine deutliche "Verrechtlichungswelle" zukommen. Viele der Dokumente – von der großen, EU-weiten Taxonomie-Verordnung bis zum österreichischen FMA-Leitfaden – liegen derzeit noch als Entwurf vor, weshalb die finalen Fassungen abzuwarten bleiben. Ausgehend von den Entwürfen gewinnt man aber bisweilen den Eindruck, dass das Thema, dem ja wie oben angemerkt durchaus etwas mehr Klarheit gut täte, nun wieder recht technisch angegangen wird. Die Herausforderung auf europäischer und österreichischer Ebene wird daher sein, die Balance zwischen Transparenz und Überregulierung zu finden.

Klar ist jedenfalls bereits jetzt: Die inhärenten Widersprüche des Begriffs der Nachhaltigkeit werden auch die neuen Regeln nur schwer vollständig in den Griff bekommen. Das zeigte sich schon bei den Diskussionen um die Taxonomie-Verordnung, wo bereits frühzeitig von mehreren Seiten angemerkt wurde, dass zB auch die Atomenergie die Voraussetzungen der in der Verordnung aufgestellten Umweltziele erfüllen würde. Ein Ergebnis, mit dem vielleicht nicht alle glücklich sein werden.