Nützliche Gesetzesverletzungen

Ein Paketdienst in Marhattan riskierte Strafen fürs Falschparken, wenn es nicht möglich war, in der Nähe des Zustellortes vorschriftsmäßig zu parken. Für das Unternehmen war es wirtschaftlich nämlich günstiger, eine Parkstrafe zu zahlen und sich damit Zeit und Kosten einer länger dauernden Parþlatzsuche oder Kosten für eine Parkgarage zu ersparen.

Auch bei kartellrechtswidrigen Preisabsprachen ist es denkbar, dass das Bußgeld geringer ausfällt als der Gewinn aus kartellrechtswidrigem Verhalten. Schmiergeldzahlungen können ebenfalls einen Geschäftserfolg bewirken, der das unrechtmäßig gezahlte Schmiergeld bei weitem übersteigt. Schließlich kann auch die Übertretung von Vorschriften des Umweltschutz-, Vergabe- oder Gewerberechts für das Unternehmen wirtschaftlich günstig sein.

Da in vergangener Zeit Gerichtsverfahren zu derartigen Sachverhalten zunehmen, etwa Strafverfahren wegen Schmiergeldzahlungen oder Schadenersatzklagen gegen
(ehemalige) Organmitglieder, lohnt es, einen Blick auf die Rechtsfolgen solcher nützlicher Gesetzesverletzungen zu werfen.

Geschäftsführer haften nicht für den Erfolg ihrer Tätigkeit, sondern sind verpflichtet, die Vor- und Nachteile ihrer Entscheidungen auf Grundlage angemessener Informationen abzuwägen. Es steht ihnen also bei ihren unternehmerischen Entscheidungen ein Ermessensspielraum zu. Sie haften grundsätzlich nur, wenn sie diesen Ermessensspielraum (eklatant) überschreiten. Umstritten ist allerdings, ob ein solcher Ermessensspielraum auch bei Gesetzesverletzungen besteht.

Spannungsverhältnis

Bei ihren Entscheidungen haben sich die Geschäftsführer am Unternehmenswohl zu orientieren und im Rahmen der Gesetze zu handeln. Nun kommt es aber durchaus vor, dass eine Gesetzesübertretung für die Gesellschaft bei einer Gesamtbetrachtung vorteilhaft ist. Wie ist dieses Spannungsverhältnis nun aufzulösen?

Der herrschenden Lehre zufolge stellt rechtswidriges Verhalten grundsätzlich eine Pflichtverletzung dar, die Geschäftsführer zu Schadenersatz gegenüber der Gesellschaft verpflichten kann. Nach neueren Lehrmeinungen führt ein Gesetzesverstoß aber nicht zwingend zu einer Pflichtverletzung der Gesellschaft gegenüber.

Ist die Rechtslage etwa unklar oder umstritten, handelt der Geschäftsführer in der Regel nicht rechtswidrig, wenn er die Entscheidung auf der Grundlage eines pflichtgemäßen Entscheidungsprozesses trifft. In diesem Fall kann eine Schadenersatzpflicht ausscheiden.

Ist die Rechtslage jedoch klar und ist dennoch beabsichtigt, gegen ein Gesetz zu verstoßen, soll dies nach neueren Lehrmeinungenebenfalls nicht automatisch zu einer Schadenersatzpflicht der Geschäftsführer führen. So soll der jeweilige Schutzzweck der übertretenen Norm berücksichtigt werden. Handelt es sich um relativ harmlose Gesetzesverletzungen, dann soll dies keinen Pflichtverstoß darstellen.

Nach beiden Argumenten führt beispielsweise die eingangs geschilderte Missachtung von Halteverboten zu keiner Schadenersatzpflicht der Geschäftsführer. Für Schmiergeldzahlungen und die Bildung von Kartellen würden Geschäftsführer hingegen haften. Eine Abgrenzung, wann etwa eine solche "harmlose" Gesetzesverletzung vorliegt, ist aber schwierig und kann nur im Einzelfall beurteilt werden.

Parken im Halteverbot

Liegt ein Pflichtverstoß des Geschäftsführers vor, ist zu prüfen, ob den erlittenen Nachteilen die Vorteile gegenübergestellt werden müssen. Nach der wohl überwiegenden Ansicht scheiden Schadenersatzansprüche aus, wenn die Vorteile aus der rechtswidrigen Handlung die Verluste übersteigen - sich die Rechtsverletzung also im Nachhinein als "nützlich" erweist. Im "Halteverbotsfall" käme eine Haftung also nur dann infrage, wenn die Bußgelder die Ersparnisse und Gewinne aus dem Rechtsbruch übersteigen.

Ein beabsichtigter Rechtsbruch wird oft eine ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme sein, sodass die Geschäftsführer die Zustimmung der Gesellschafter einzuholen haben. Genehmigen die Gesellschafter eine beabsichtigte Gesetzesverletzung, erteilen sie etwa eine Weisung zur Steuerhinterziehung, so ist ein solcher Gesellschafterbeschluss nichtig und kann keine Haftungsbefreiung der Geschäftsführer bewirken. Auch wenn die Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft für beabsichtigte Gesetzesverletzungen im Vorhinein vertraglich ausgeschlossen wird, führt dies nicht in jedem Fall zu einem Entfall der Schadenersatzpflicht.

Für nützliche Gesetzesverletzungen kann Geschäftsführern somit kein Freibrief erteilt werden. Im Einzelfall kann eine Haftung aber ausscheiden. Dies sollte bereits vor der beabsichtigten Übertretung geprüft und dokumentiert werden, um in einem allfälligen Haftungsprozess die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt nachweisen zu können.

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