Zum Fragerecht bei der virtuellen Hauptversammlung

Am 28.12.2020 hat das Bundesministerium für Justiz einen neuen Erlass zur Gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Verordnung – COVID-19-GesV veröffentlicht. Eine wesentliche Änderung zum bisherigen Erlass betrifft das Fragerecht bei der virtuellen Hauptversammlung.

In der Hauptversammlungssaison 2020 haben vereinzelt Aktionäre seitenlange Ausführungen und Fragen an börsenotierte Gesellschaft oder an die besonderen Stimmrechtsvertreter übermittelt. Die Verlesung dieser Konvolute hat zum Teil unangemessen viel Zeit in Anspruch genommen. Dies stellt den Vorsitzenden schon in einer physischen Hauptversammlung vor Herausforderungen, aber noch mehr bei einer virtuellen Versammlung.

Das BMJ hält im erwähnten Erlass nun klarstellend fest, dass zwar jedem Aktionär in der Hauptversammlung Auskunft zu erteilen ist, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung eines Tagesordnungspunkts erforderlich ist. Daraus folgt, dass Aktionäre generell kein uneingeschränktes Auskunftsrecht haben und daher auch nicht berechtigt sind, allzu viele und zu detaillierte Fragen zu stellen. Schon nach allgemeinem Aktienrecht – und nicht nur für virtuelle Hauptversammlungen – ist der Vorsitzende der Hauptversammlung daher berechtigt, Ordnungsmaßnahmen zu ergreifen, um ausufernde Ausführungen und Fragen von Aktionären abzustellen.

Für virtuelle Hauptversammlungen konkretisiert dies das BMJ dahin, dass die Gesellschaft im Fall der Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung noch weitergehende Möglichkeiten hat, für einen geordneten Ablauf zu sorgen. Gemäß § 3 Abs 1 zweiter Satz COVID-19-GesV können nämlich für "die Abgabe von Wortmeldungen (Fragen und Beschlussanträge) … während der Versammlung angemessene zeitliche Beschränkungen festgelegt werden". Werden daher schriftliche Wortmeldungen von Aktionären von der Gesellschaft oder von einem besonderen Stimmrechtsvertreter in der Hauptversammlung verlesen, dürfen bereits die schriftlichen Ausführungen des Aktionärs einen bestimmten Umfang nicht überschreiten. Wird dieser Umfang – auf den bereits in der zeitlichen Beschränkung für Wortmeldungen hingewiesen werden sollte – überschritten, kann wenn möglich der Aktionär selbst oder sonst auch die Person, die die Wortmeldung in der Hauptversammlung vorzutragen hat, kürzen. Übermäßig lange Ausführungen kann der Vorsitzende der virtuellen Versammlung zeitlich beschränken.

Diese Klarstellung stärkt den Vorsitzenden einer virtuellen Hauptversammlung den Rücken, wenn es darum geht, ausufernde Wortmeldungen und Fragestellungen in Hinblick auf einen geordneten Ablauf der Hauptversammlung einzuschränken.