EUGH: Online- Sparkonten sind keine Zahlungskonten

Österreicher sparen gern. Obwohl die Sparquote in den letzten Jahren gesunken ist, liegen die Österreicher immer noch über dem EU­-Durchschnitt. Während früher zum klassischen Sparbuch gegriffen wurde, gewannen in den vergangenen Jahren alternative Formen von Sparkonten, die ausschließlich online geführt werden, immer mehr an Bedeutung.

Solche Online-Sparkonten unterscheidet vom klassischen Sparbuch, dass der Kunde nicht mehr gegen Vorlage seines Sparbuches in der Bankfiliale ein- und auszahlen muss, sondern unkompliziert über das Internet auf das Online-Sparkonto zugreifen kann (in der Praxis gibt es auch Mischfor- men). Die Habenzinsen auf solchen Online- Sparkonten sind regelmäßig höher als auf Girokonten. Dafür kann man mit Online- Sparkonten aber auch nicht am Zahlungsverkehr teilnehmen: Stattdessen ist üblicherweise jedem Online-Sparkonto ein Girokonto, das auf den Inhaber des Online- Sparkontos lautet, als sogenanntes „Referenzkonto“ zugeordnet. Nur über dieses Referenzkonto können Einzahlungen auf das Online-Sparkonto vorgenommen werden und nur auf dieses Referenzkonto können Auszahlungen von dem Online- Sparkonto vorgenommen werden.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich nun aufgrund einer Verbandsklage betreffend die Rechtmäßigkeit von allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank mit der Frage zu beschäftigen, ob auf solche Online-Sparkonten das Zahlungsdienstegesetz („ZaDiG“) anwendbar ist (mittlerweile abgelöst vom ZaDiG 2018, das – soweit hier maßgebend – vergleichbar ist). Dies würde weitere Pflichten der Banken auslösen, die allerdings für Sparkonten nicht zweckmäßig erscheinen und weitere Kosten verursachen würden (letztlich wohl auch zu Lasten der Sparer). Verschiedene Senate des Oberlandesgerichtes Wien hatten dazu gegensätzliche Meinungen vertreten.

Grundsätzlich ist das ZaDiG auf „Zahlungskonten“ anwendbar. Darunter versteht das Gesetz ein auf einen oder mehrere Zahlungsdienstnutzer lautendes Konto, das für die Ausführung von Zahlungsvorgängen benutzt wird (§ 3 Z 13 ZaDiG). Zur Frage, ob die Online-Sparkonten „Zahlungskonten“ sind, gab es noch keine Rechtsprechung. Da das ZaDiG auf der unionsrechtlichen Zahlungsdienste-RL (RL 2007/64) beruht und die Interpretation des Begriffs „Zahlungskontos“ deshalb in erster Linie eine unionsrechtliche Frage ist, beantragte der OGH beim Europäischen Gerichtshof eine Vorabentscheidung zur Frage, ob Online- Sparkonten als „Zahlungskonten“ zu qualifizieren sind (Rs C-191/17).

Am 19.6.2018 wurden die Schlussanträge des Generalanwaltes veröffentlicht. Der Generalanwalt kam zum Ergebnis, dass die Online-Sparkonten nicht unter den Begriff des „Zahlungskontos“ fallen und die Zahlungsdienste-RL deshalb nicht anwendbar ist.

Entscheidendes Kriterium für die Einstufung als Zahlungskonto sei die Möglichkeit der unmittelbaren Beteiligung an Zahlungsvorgängen. Obwohl der Wortlaut der Definition „Zahlungskonto“ alleine keine eindeutige Antwort gebe, ergebe sich aus dem Rest der Zahlungsdienste-RL und auch aus verwandten Rechtsakten, zB der SEPA-VO (VO (EU) 2015/751), dass Online- Sparkonten nicht erfasst seien. Dies folge auch aus den Zielen der Zahlungsdienste- RL. Ein solches Ziel sei zwar auch der Verbraucherschutz. Der Ausschluss von Online- Sparkonten als „Zahlungskonten“ verstoße aber nicht gegen dieses Ziel, da das Referenzkonto ohnehin zwingend ein „Zahlungskonto“ (nämlich ein Girokonto) sei und insofern kein Bedürfnis nach einem doppelten Schutz für Verbraucher bestehe.

Am 4.10.2018 folgte schließlich das Urteil des EuGH. Dieser bestätigte im Ergebnis die Einschätzung des Generalanwaltes. Somit steht nunmehr fest, dass Online-Sparkonten unionsrechtlich nicht als „Zahlungskonten“ zu qualifizieren sind.

Nach dem EuGH lässt sich anhand des Wortlautes der Zahlungsdienste-RL zwar nicht bestimmen, ob der Begriff Zahlungskonto auch die Online-Sparkonten umfasst. Deshalb sei zusätzlich auch der gesetzgeberische Kontext zu prüfen. So heißt es in der verwandten Zahlungskonten-RL (RL 2014/92/EU), dass Zahlungskonten unter anderem Ausführung und Empfang von Zahlungsvorgängen, einschließlich Überweisungen, an Dritte und von Dritten ermöglichen (Art 1 Abs  6 Zahlungskonten- RL). Daraus schließt der EuGH, dass die Möglichkeit, von einem Konto Zahlungsvorgänge an Dritte und von Dritten auszuführen und zu empfangen, ein konstitutives Merkmal des Begriffs „Zahlungskonto“ ist. Ein Konto wie das Online-Sparkonto, das für solche Zahlungsvorgänge nicht unmittelbar, sondern nur über ein Zwischenkonto genutzt werden kann, könne daher nicht als „Zahlungskonto“ im Sinn der Zahlungskonten-RL und folglich auch nicht der Zahlungsdienste-RL angesehen werden.

Online-Sparkonten mit Referenzkonto fallen also zusammengefasst nicht unter den Begriff „Zahlungskonto“, da sie nicht unmittelbar für die Ausführung und den Empfang von Zahlungsvorgängen an Dritte und von Dritten genutzt werden können. Nach dem EuGH kommt es praktisch gesprochen wesentlich darauf an, ob das in Frage stehende Konto eine „Bezahlfunktion“ hat. Hat es keine „Bezahlfunktion“, etwa weil Überweisungen nur auf Konten mit demselben Inhaber durchgeführt werden können, handelt es sich nicht um ein Zahlungskonto.

Nach dem klärenden Urteil des EuGH ist jetzt wieder der OGH am Zug, der ausgehend von der Rechtsmeinung des EuGH im Anlassfall zu entscheiden hat.