Covid19: Aufsichtsrecht für Banken und andere Finanzdienstleister

Die Regierung hat ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Covid-19 ("Corona-Virus") beschlossen, das seit 16.3.2020 stufenweise in Kraft getreten ist. Zuletzt wurden das 3., 4. und 5. Covid-Gesetz im Nationalrat beschlossen. Im folgenden Überblick werden daher einige wesentliche Fragen behandelt, die sich dadurch für Banken – aber auch andere Finanzdienstleister – stellen:

Übersicht:

Fragen und Anworten:

Sehen die ab 16.3.2020 geltenden Notfallmaßnahmen wegen Covid-19 besondere Regelungen für Banken und andere Finanzdienstleister vor?

Banken sind als Bestandteil der kritischen Infrastruktur von der angeordneten Schließung von Geschäften ausgenommen. Bankfilialen dürfen daher weiter offenhalten, was wohl auch einen "bank-run" verhindern sollte. Für andere Finanzdienstleister, wie etwa Versicherungen, Pensionskassen und Wertpapierfirmen sowie Versicherungsmakler gelten diese Ausnahmen nicht. Bislang sind zu den neuen Notfallmaßnahmen sonst keine spezifischen Regelungen für Finanzdienstleister vorgesehen, sodass für diese derzeit nur die online- und Telefonberatung möglich ist.

Hat die Finanzmarktaufsicht bereits Maßnahmen angekündigt?

In einem Schreiben vom 13.3.2020 hat die FMA mitgeteilt, dass sie selbst bis auf kritische Funktionen auf Teleworking umstellen wird und Besuche bei der FMA daher zu unterlassen sind. Die Erreichbarkeit der FMA mittels Telefon und E-Mail wird aber gewährleistet bleiben, zusätzlich auch Skype for Business.

Weiters wird die "örtliche Präsenz bei Prüfungen ausgesetzt". Laufende Prüfungen werden, soweit dies aufgrund vorhandener Informationen und Unterlagen möglich ist, off-site weitergeführt und abgeschlossen. Die FMA hat angekündigt, die weitere Entwicklung genau zu überwachen.

Ergänzend hat FMA aktuelle Informationen zu COVID-19 Maßnahmen in Zusammenhang mit dem Umgang mit Kreditforderungen veröffentlicht (siehe dazu unten zu Frage 1.4).

Im Übrigen hat die FMA hat noch keine speziellen Leitlinien zur aktuellen Situation veröffentlicht, sondern verweist auf die aktuellen Veröffentlichungen der europäischen Aufsichtsinstitutionen (siehe dazu gleich unten). Punktuell hat die FMA zudem mitgeteilt, dass vom Erfordernis der persönlichen Anwesenheit der Mitglieder bei Aufsichtsrats- und Aufsichtsratsausschussitzungen (aufsichtsrechtlich) abgesehen werden kann, soweit eine telefonische Zuschaltung oder Videokonferenz eingerichtet wird. Dies kann allerdings die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben nicht außer Kraft setze, sodass auch eine ergänzende schriftliche Beschlussfassung im Umlaufweg nötig sein kann. 

 Welche weiteren Maßnahmen gibt es auf EU-Ebene? 

Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hat in einem Statement vom 12.3.2020 zur Covid19-Krise zwei wesentliche Punkte bekannt gegeben:

  • Die EU-weiten Stress-Tests bei Banken werden auf 2021 verschoben, um es Banken zu erlauben, sich auf die aktuelle Situation zu konzentrieren.
  • Die zuständigen Aufsichtsbehörden sollen, soweit angemessen, eine Flexibilität der Aufsichtsgesetze weitestmöglich ausnützen

Damit soll offenbar eine Beeinträchtigung der Märkte durch Finanzierungsengpässe wegen zu strenger Anwendung unter anderem von Eigenmittel- und Liquiditätsvorschriften verhindert werden. Andererseits legt die EBA sehr wohl Wert darauf, dass Verschlechterungen der Asset-Qualität korrekt abgebildet werden. 

Die aktuelle wirtschaftliche Lage wird natürlich auch Auswirkungen auf Bankbilanzen haben So können Kreditausfälle bei wegen der Krise in Schwierigkeit geratenen Kreditnehmern oder Verluste bei Handelspositionen aufgrund der Entwicklung der Börsen Auswirkung auf die Kapitalquoten der Banken haben, die im Ernstfall unter die Mindestanforderungen fallen könnten.

Die Europäische Zentralbank (EZB), die auch die systemrelevanten österreichischen Banken beaufsichtigt, hat in diesem Zusammenhang in einer Presseaussendung am 12.3.2020 und 20.3.2020 ebenfalls entsprechende Erleichterungen für Banken angekündigt:

  • Banken sollen die für Krisenzeiten gedachten Kapital- und Liquiditätspuffer vollständig nützen können. Die EZB erlaubt den Banken vorübergehend unterhalb des durch die Säule-2-Empfehlung, den Kapitalerhaltungspuffer und die Liquidity Coverage Ratio definierten Kapitalniveaus zu operieren.
  • Außerdem erlaubt die EZB den Banken zur Erfüllung ihrer Säule 2-Anforderungen, neben Common Equity Tier 1 Kapital auch Additional Tier 1 oder Tier 2 Kapital zu nutzen.
  • Übermäßige prozyklische Effekte durch die Anwendung von IFRS 9 sollen vermieden werden.
  • Einzelne Fristen wurden bereits verlängert bzw verschoben (ECB FAQ und EBA vom 31.3.2020 [nicht jedoch für LCR, ALMM und Informationen für Abwicklungsplanung]). Die EZB plant auch operative Flexibilität bei der Umsetzung von Aufsichtsmaßnahmen im Einzelfall. Die EZB wird zudem mit den von ihr beaufsichtigten Banken individuelle Maßnahmen abstimmen (etwa die Verschiebung von Vor-Ort-Prüfungen oder die Verlängerung von Fristen für nicht dringende Aufsichtsmaßnahmen).

Die ESMA hat zur Aufnahme vom Telefongesprächen im Rahmen der MiFID II eine Klarstellung vom 20.3.2020 veröffentlicht.

All diese Maßnahmen sind aus unserer Sicht positiv zu bewerten, wobei aber abzuwarten bleibt, wie weit die Flexibilität der Aufsichtsbehörden in der Praxis tatsächlich reichen wird.

Gibt es Erleichterungen in Bezug auf Kreditausfälle bzw (gesetzliche) Stundungen?

Der österreichische Gesetzgeber hat – wie unter anderem auch in Deutschland – zuletzt im 4. COVID-Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen eine Stundung von Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen von Verbrauchern und Kleinstunternehmen für drei Monate beschlossen (im Detail siehe unseren Newsletter zu Finanzierungen).

In diesem Zusammenhang hat zuletzt die EBA mit ihren Guidelines vom 2.4.2020 ihre Mitteilung vom 25.3.2020 in Hinblick auf gesetzlich angeordnete Moratorien präzisiert und explizit auf die Möglichkeit hingewiesen, durch konsensuale Änderungen in Kreditverträgen einen Ausfall zu vermeiden. Auch öffentliche Stützungsmaßnahmen sollen nicht automatisch als individuelle Kreditrestrukturierung ("Forbearance") qualifiziert werden. Allerdings soll eine adäquate und konsistente Identifikation von Risiken gerade in der aktuellen Situation von Bedeutung ist, um die ökonomischen Effekte von COVID-19 möglichst genau abschätzen zu können. Eine weitere Stellungnahme der EBA vor dem 30.6.2020 soll eine einheitliche Anwendung gewährleisten.

Die ESMA hat zuletzt im Zusammenhang mit Expected Credit Loss und IFRS 9 eine Stellungnahme vom 25.3.2020 abgegeben.

Ergänzend hat FMA aktuelle Informationen zu COVID-19 Maßnahmen veröffentlicht, die unter anderem Folgendes vorsehen:

  • Für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit ist derzeit der Jahresabschluss aus 2018 ausreichend, sofern der Jahresabschluss aus 2019 noch nicht vorliegt.
  • Der Beobachtungszeitraum für die Kapitaldienstfähigkeit kann auf eine ganzjährige Liquiditätsbetrachtung erstreckt werden.
  • Banken wird empfohlen, die Übergangsregeln zum Rechnungslegungsstandard IFRS 9 anzuwenden.

Weiters haben die FMA und die OeNB ihre Unterstützung von Maßnahmen des Single Supervisory Mechanism durch Nutzung regulatorischer Spielräume, die zur Aufrechterhaltung der Kreditversorgung von Unternehmen und Haushalten beitragen, angekündigt (Pressemitteilung vom 20.3.2020).

Welche Implikationen ergeben sich aus der aktuellen Situation für die bevorstehenden Hauptversammlungen?

Die EZB und die FMA haben am 27.3.2020 die dringende Empfehlung an die von ihnen beaufsichtigten Banken beschlossen, aktuell auf die Ausschüttung von Dividenden für das abgelaufene Geschäftsjahr zu verzichten sowie von Rückkäufen eigener Aktien Abstand zu nehmen. Beide Aufsichtsbehörden gehen davon aus, dass die Banken derartige Entscheidungen vorerst für zumindest sechs Monate aufschieben, jedenfalls aber bis Klarheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung besteht. Eine ähnliche Empfehlung besteht laut Pressemitteilung der FMA und der EIOPA vom 3.4.2020 für Versicherungsunternehmen.

In der Praxis haben auch in Österreich Institute eine Verschiebung der Hauptversammlung und zumindest eine Überprüfung des Dividendenvorschlags angekündigt. Sollte sich die wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig wesentlich eintrüben, könnten die Empfehlung verlängert oder im Extremfall zur Gewährleistung der Stabilität des Finanzsektors auch durch die Aufsichtsbehörde durchgesetzt werden.

Welche Implikationen ergeben sich aus Teleworking (Home Office)?

Die Regierung hat Unternehmen dazu aufgefordert, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wo es einzurichten ist, ab 16.3.2020 Teleworking zu ermöglichen. Dabei handelt es sich nicht um eine verpflichtende Maßnahme (wohl auch aus budgetären Erwägungen wegen der mit einer zwangsweisen Anordnung potentiell verbunden Ersatzansprüche). Viele Banken und andere Finanzdienstleister haben die meisten ihrer Mitarbeiter aber bereits ins Home Office geschickt oder ermöglichen Teleworking auf Wunsch bzw zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs.

Aus Compliance-Sicht ergibt sich natürlich die Frage, ob dies mit den aufsichtsrechtlichen Sorgfaltsanforderungen, insbesondere im Hinblick auf

  • das Risikomanagement,
  • die Überwachung der Mitarbeiter,
  • die IT-Sicherheit,
  • die Wahrung des Bankgeheimnisses und des Datenschutzes sowie
  • die Marktmissbrauchsregelungen (Verhinderung von Insiderhandel und Marktmanipulation)

vereinbar ist.

Dazu gibt es bisher keine umfassende öffentliche Stellungnahme der FMA (diese hat sich lediglich zur Möglichkeit der Abhaltung von Aufsichtsrats- und Ausschusssitzungen per Telefon oder Video geäußert – siehe oben). Die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat aber in einer Information vom 12.3.2020 zur Frage der Zulässigkeit von Handelsaktivitäten im Home Office mitgeteilt, dass die entsprechenden strengen Regeln vorübergehend, krisenbedingt für eine Home Office-Regelung gelockert werden können. Dies sei bankaufsichtlich vertretbar, wenn nicht sogar – als Teil eines Notfallkonzeptes – in Krisensituationen erforderlich. Bei fehlender Zugangsmöglichkeit zu Büro- und Handelsräumen ist es erforderlich, eine Alternative zu schaffen, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Sofern Institute diese Geschäfte bisher ausgeschlossen hatten, müssten sie das Verbot aber explizit aufheben und klare Arbeitsanweisungen niederlegen. Aus Sicht der BaFin können alle geforderten Sicherungsmaßnahmen und Kontrollen elektronisch realisiert werden.

Dieser – auch im Einklang mit der Forderung der EBA nach Flexibilität stehende – Ansatz ist uE auch für Österreich nachvollziehbar. Auch wenn Teleworking nicht verpflichtend vorgeschrieben wird, ist dieses zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Finanzdienstleister (Vermeidung von Personalengpässen durch Krankheitsfälle) zweckmäßig und von der Bundesregierung auch empfohlen. Die verschiedenen aufsichtsrechtlichen Regelungen sind zumeist auch insofern flexibel, als in der Regel die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit zu berücksichtigen sind. So sehen etwa die organisatorischen Anforderungen für Banken nach § 39 Abs 6 BWG unter anderem vor, "unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs und der Komplexität ihrer Geschäftstätigkeit angemessene Grundsätze und Verfahren schriftlich festzulegen, regelmäßig zu aktualisieren und laufend einzuhalten, die darauf ausgelegt sind, Risiken einer etwaigen Missachtung" der Aufsichtsgesetze "auf ein Mindestmaß zu beschränken". Dies erlaubt daher in gewissen Rahmen einen Interessensabwägung, die hier für das Home Office ausschlägt. Natürlich werden entsprechende Dienstanweisungen und Kontrollmaßnahmen notwendig sein, die aber – wie die BaFin – ausführt auch elektronisch realisiert werden könnten.

Sind Notfallpläne nachzujustieren?

Die EZB hat bereits am 3.3.2020 bedeutende Institute aufgefordert, ihre Pläne zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs prüfen und mögliche Maßnahmen zu evaluieren, um mögliche negative Auswirkungen einer weiteren Ausbreitung von COVID-19 weiter zu minimieren. Die EBA will angesichts der Ausbreitung des Coronavirus die Notfallpläne weiterer europäischer Banken überprüfen.

Die Covid19-Krise sollte daher zum Anlass genommen werden, die Tauglichkeit der bestehenden Notfallpläne zu überprüfen und diese gegebenenfalls auf Basis der aktuellen Situation gewonnenen Erkenntnisse zu überprüfen (zB Anpassung im Hinblick auf Teleworking – siehe dazu oben).

Was ist bei Leerverkäufen zu beachten?

Die EU Verordnung (Nr 236/2012) über Leerverkäufe ermöglicht nationalen Aufsichtsbehörden, dass diese bei einem signifikantem Kursverfall Leerverkäufe von Finanzinstrumenten befristet verbieten. In Italien, Spanien, Frankreich, Belgien und UK haben die Aufsichtsbehörde aufgrund des starken Kursverfalls mehrerer Unternehmensaktien – welcher mit der Covid-19 Krise in Verbindung gebracht wird – befristete Leerverkaufsverbote ausgesprochen.

Die FMA hat mit Verordnung ab 18.3.2020 bis voraussichtlich 18.4.2020 Leerverkaufsverbote für alle Aktien, die zum Amtlichen Handel der Wiener Börse zugelassen sind und die unter die Zuständigkeit der FMA als Aufsichtsbehörde fallen, erlassen. Vom Verbot ausgenommen sind Geschäfte in der Funktion als Market Maker (oder Specialist) sowie bestimmte Geschäfte in Finanzinstrumenten, die sich auf Indices beziehen oder auf einen Korb von Wertpapieren, der einen Index nachbildet.

Europaweit hat die ESMA vorläufig die Meldeschwelle für Leerverkäufe auf Netto-Leerverkaufspositionen in Höhe von 0,1 Prozent oder mehr (bisher 0,2 Prozent) in allen Aktien, die am regulierten Markt zugelassen sind, verschärft, um im Bedarfsfall schneller reagieren zu können. Der Veröffentlichungsschwellenwert von 0,5 Prozent gilt unverändert.