Was bedeutet Covid-19 für meinen Vertrag?

Die wichtigsten Fragen und Antworten darauf, welche Auswirkungen Covid-19 auf Verträge hat.

Übersicht

Fragen und Antworten:

Wer hat Schuld, dass ein Vertrag nicht (oder nur schlecht) erfüllt wird?

Die Kernfrage, die derzeit wohl viele Unternehmer auf der ganzen Welt beschäftigt, ist: Wer hat Schuld, wenn ein Vertrag wegen des Ausbruchs von Covid-19 nicht (oder nur schlecht) erfüllt werden kann? Die kurze Antwort für das österreichische Recht darauf lautet: An Covid-19 hat niemand Schuld – das heißt aber nicht, dass dasselbe zwingend auch für die mangelhafte Vertragserfüllung gilt.

Der Reihe nach:

Die Erfüllung von Verträgen kann sich nach Vertragsabschluss aus ganz verschiedenen Gründen als erschwert oder verunmöglicht herausstellen. Solche Verträge werden auch "leistungsgestört" genannt. Im Einzelfall hängt die konkrete Leistungsstörung vom jeweiligen Vertrag ab: Kaufverträge können zum Beispiel als leistungsgestört gelten, wenn die verkaufte Sache vor Übergabe zerstört wird und deshalb nicht mehr übergeben werden kann; ein Mobilfunkvertrag kann als leistungsgestört gelten, wenn das Mobilfunknetz (längere Zeit) nicht erreichbar ist und deshalb nicht über das Netz telefoniert werden kann.

Wenn der Vertrag selbst für diesen Fall keine Regel vorsieht, versucht die Rechtsordnung, einen Interessenausgleich zu schaffen. Sie stellt dafür üblicherweise darauf ab, welchem Vertragspartner die Leistungsstörung zuzurechnen ist, das heißt, in wessen "Sphäre" die Leistungsstörung fällt. Die Grundregel lautet: Nur weil in der Sphäre des einen Vertragspartners etwas schief gegangen ist, soll der andere Vertragspartner darunter nicht leiden müssen.

Es gibt aber auch Leistungsstörungen, die in die Sphäre von gar niemandem fallen. Solche Leistungsstörungen wären selbst bei äußerster zumutbarer Sorgfalt nicht zu verhindern gewesen. Sie sind schlicht ein Fall von höherer Gewalt. Klassische Fälle von höherer Gewalt sind Kriege oder Terroranschläge. Seit einer in den letzten Wochen zu Berühmtheit gelangter Entscheidung des OGH aus dem Jahr 2005 (4 Ob 103/05h) steht außerdem fest, dass im österreichischen Recht auch der Ausbruch von SARS als Fall höherer Gewalt gilt.

In Anlehnung an diese "SARS-Entscheidung" wird man deshalb auch für den Ausbruch von Covid-19 behaupten können, dass ein Fall von höherer Gewalt vorliegt. Als erstes Zwischenergebnis lässt sich deshalb festhalten: Am Ausbruch von Covid-19 hat – rechtlich gesehen – niemand Schuld.

Das bedeutet aber nicht zwingend, dass niemand Schuld daran hat, wenn ein Vertrag wegen des Ausbruchs von Covid-19 nicht (oder nur schlecht, das heißt verspätet oder sonst unrichtig) erfüllt werden kann:

  • Es wird sicher Fälle geben, in denen der Vertrag alleine wegen Covid-19 nicht erfüllt werden kann. Denkbar sind hier sowohl Konstellationen der unmittelbaren als auch der mittelbaren Wirkung der Pandemie.

    Unmittelbar könnte die Leistungsstörung zum Beispiel dadurch bewirkt werden, dass der Schuldner seinen Produktionsbetrieb einstellen muss, weil alle seine Mitarbeiter an Covid-19 erkrankt sind. Mittelbar – und das wird der häufigere Fall sein – könnte die Leistungsstörung durch jene Maßnahmen bewirkt werden, die aufgrund von Covid-19 getroffen wurden: Die Mitarbeiter des Schuldners sind zwar gesund, der Betrieb muss aber wegen der gesetzlich verordneten Betretungsverbote trotzdem seine Produktion einstellen. 

    Wichtig ist in all diesen Konstellationen, dass regelmäßig nur dann ein Fall von höherer Gewalt vorliegt, wenn der Schuldner von Covid-19 (oder dessen rechtlichen Folgen) so sehr betroffen ist, dass er die Leistungsstörung nicht mehr "verhindern" konnte. Trifft das zu, kann ihm daraus im Regelfall auch kein Vorwurf gemacht werden.
     

  • Anders wird in Fällen gelten, in denen Schuldner zwar ebenfalls von Covid-19 (entweder unmittelbar oder mittelbar, wie oben beschrieben) betroffen sind, die Leistungsstörung des Vertrags aber nicht unvermeidbare Folge gewesen wäre. 

    Bleiben wir beim Beispiel von oben: Ist der Betrieb nicht von gesetzlichen Betretungsverboten betroffen und erkranken nicht alle Mitarbeiter, sondern nur einer von mehreren, kann es dem Schuldner durchaus zumutbar sein, trotzdem noch ordnungsgemäß seine Leistung zu erbringen. Man könnte dann nämlich behaupten, dass ein sorgfältiger Unternehmer immer darauf vorbereitet sein muss, dass ein gewisser Anteil seiner Mitarbeiter wegen Krankheit ausfällt (Pandemie oder keine Pandemie) und er dafür deshalb immer Vorkehrungen treffen muss. Tut er das nicht und kann er deshalb nicht ordentlich leisten, ist das "seine Schuld" – und nicht die Schuld von Covid-19. 

    Der Schuldner soll sich also dort nicht auf ein außergewöhnliches Ereignis (wie eine Pandemie) ausreden können, wo er bereits unter ganz gewöhnlichen Umständen (Mitarbeiter werden der allgemeinen Lebenserfahrung nach auch "einfach so" krank) die versprochene Leistung nicht erbringen hätte können.

Obwohl der Ausbruch von Covid-19 also höhere Gewalt ist, kann für den konkreten Vertragsbruch, der während des Ausbruchs von Covid-19 erfolgt, etwas Anderes gelten. Abhängig vom individuellen Vertrag kann man nämlich als Gläubiger auch bei Leistungsstörungen in Zeiten von Covid-19 nach rechtlicher Prüfung zum Ergebnis gelangen, dass der Schuldner schadenersatzpflichtig ist. Umgekehrt muss man als Schuldner derzeit umso mehr wissen, worauf Acht zu geben ist und wie dies sauber dokumentiert werden kann, damit man später – nachdem die Pandemie vorbei ist der Vertragspartner vielleicht wieder eine ruhige Minute zum Nachdenken hatte – ungerechtfertigte Vorwürfe rechtlich sauber abwehren kann.

Was passiert, wenn ein Vertrag nicht erfüllt werden kann?

Der Ausbruch von Covid-19 selbst ist, wie oben geschrieben, ein Fall von höherer Gewalt – auch wenn dasselbe nicht für den konkreten Vertragsbruch gelten muss. Die Rechtsfolgen, die an diese Feststellung anknüpfen, sind ganz unterschiedlich:

  • Sie hängen einerseits vom anwendbare Recht und von der Vertragsart ab. Bestimmte Rechtsordnungen sehen für bestimmte Vertragsarten (zB Österreich für Mietverträge) besondere gesetzliche Regeln vor. Details zu solchen spezifischen Regelungen im österreichischen Recht finden Sie in den Beiträgen der jeweiligen Experten auf unserer Covid-19-Informationsseite.
  • Sie hängen andererseits vom individuellen Vertrag ab. Manche Verträge regeln in sogenannten Force Majeur-Klauseln ausdrücklich, was in Fällen von höherer Gewalt zu gelten hat. Ob damit wirklich das letzte Wort gesprochen ist, scheint aber äußerst fraglich (siehe dazu gleich die Frage unten).

Sehen weder Gesetz noch Vertrag eine Regel vor, gilt allgemeines Zivilrecht. Dessen Grundprinzip ist in Österreich der faire Interessenausgleich und die Wiederherstellung der Äquivalenz, welche die Parteien im Vertrag ursprünglich vereinbaren wollten. Kurz gesagt: Ein völlig zufälliges Ereignis soll nicht dazu führen, dass der eine Vertragspartner ruiniert und der andere Vertragspartner reich wird.

Um diesen Interessenausgleich zu schaffen, sieht das österreichische Zivilrecht eine Reihe an Instrumenten vor. Diese können abhängig von der konkreten Situation entweder einzeln oder alle gemeinsam anwendbar sein:

  • Es gibt unzählige Annahmen, die Vertragspartner ihren Verträgen zu Grunde legen. Die meisten dieser Annahmen werden aber nie verschriftlicht, weil man schlicht nicht alle Eventualitäten regeln kann. Hier setzt die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage an: 

    Ändern sich ohne Zutun der Vertragspartei nach Vertragsabschluss typische und stillschweigend vorausgesetzte Umstände des Vertrags (die sogenannte "Geschäftsgrundlage") und war diese Änderung der Geschäftsgrundlage bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar, dann kann jede Vertragspartei den Vertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage anpassen oder aufheben lassen. 

    In der oben zitierten "SARS-Entscheidung" bejahte der OGH die Anwendung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bei einer Reise, die wegen des damaligen SARS-Ausbruchs nicht wie geplant stattfinden konnte. Auch bei Verträgen, die wegen des Ausbruchs von Covid-19 nicht wie geplant erfüllt werden können, liegt deshalb die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nahe. 

    Die konkrete Rechtsfolge ist aber vom Einzelfall abhängig. Die in den letzten Wochen vielzitierte "SARS-Entscheidung" gibt dazu wenig her. Sie sagt nur, dass ein Vertrag in einem solchen Fall entweder angepasst werden kann oder ganz wegfallen kann. Im konkreten Fall war das Ergebnis, dass der Kunde nicht deshalb von einer China-Rundreise zurücktreten konnte, weil der Reiseveranstalter Hongkong – das von SARS besonders betroffen war –als letzte Station der Reise, von der auch der Rückflug erfolgte, durch Peking ersetzte. Diese Vertragsanpassung war aus Sicht des OGH aufgrund höherer Gewalt zumutbar. Was genau gilt, hängt aber ganz stark vom individuellen Vertrag ab.
     

  • Wenn die Fortführung eines Vertrags unzumutbar ist, kann dieser außerdem aus wichtigem Grund sofort gekündigt werden. Das Recht auf Kündigung aus wichtigem Grund muss nicht gesondert vereinbart werden (wenn es nicht im Vertrag steht, schadet es also nicht und die wichtigen Gründe können auch vertraglich erweitert werden) und ist in der Regel bei Dauerschuldverträgen zwingend (wenn es im Vertrag ausdrücklich ausgeschlossen wird, ist dies also in der Regel nicht wirksam). 

    Ob eine solche Kündigung wegen des Ausbruchs von Covid-19 möglich und sinnvoll ist, ist ebenfalls im Einzelfall zu prüfen. Dabei wird es besonders darauf ankommen, wie man die Unzumutbarkeit der Fortführung argumentiert. Hier ist auch schnelles Handeln gefordert: Je länger der Vertrag nach Auftauchen des wichtigen Grunds fortgeführt wird, desto schwerer ist die Unzumutbarkeit zu argumentieren.
     

  • Bei bestimmten Verträgen wird man auch noch unter Berufung auf Verzug der anderen Vertragspartei (dafür ist nicht zwingend Verschulden nötig) oder auf nachträgliche Unmöglichkeit der Leistungserbringung vom Vertrag zurücktreten können (siehe gleich nächste Frage).

Mein Vertragspartner leistet nicht und ich möchte den Vertrag beenden. Muss ich eine Nachfrist setzen, auch wenn es aussichtslos ist?

Wer nicht zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort leistet, ist in Verzug, unabhängig davon, ob er etwas "dafür kann" oder nicht (siehe die Frage oben, wer an Leistungsstörungen wegen Covid-19 Schuld ist).

Üblicherweise muss man dem säumigen Vertragspartner eine Nachfrist setzen, bevor man selbst vom Vertrag zurücktreten kann. Das Gesetz verlangt eine Nachfrist mit "angemessener" Dauer. Was das konkret bedeutet, wird vom Geschäft abhängen. Die Länge der Nachfrist kann insbesondere dort entscheidend sein, wo der Gläubiger schnell aus dem Vertrag will, um mit einem anderen, der derzeit noch liefern kann, ein gleichwertiges Ersatzgeschäft (ein sogenanntes Deckungsgeschäft) zu schließen.

Keine Nachfrist muss man hingegen setzen bei sogenannten Fixgeschäften oder bei nachträglicher Unmöglichkeit:

  • Von Fixgeschäft spricht man, wenn die Erfüllung zu einer bestimmten Zeit dem Gläubiger so wichtig ist, dass er sie danach nicht mehr annehmen muss und dem Schuldner dies erkennbar war. 

    Beispiel: Am 25.12. will niemand mehr seine von der Druckerei bestellten Weihnachtskarten erhalten. Es gibt aber auch Fälle, die nicht so offensichtlich sind, zum Beispiel, wenn der B die Ware vom A braucht, damit er sie selbst wieder weiterverarbeiten und rechtzeitig an den C verkaufen kann. Auch wenn Fixgeschäfte in solchen Produktionsketten nicht zwingend sind, sind sie doch denkbar und hängen davon ab, was zwischen den einzelnen Parteien jeweils Vertragsbestandteil wurde. Ob beim konkreten Fall ein Fixgeschäft vorliegt oder nicht, ist deshalb anhand des individuellen Vertrags zu prüfen. Es ist jedenfalls keine Voraussetzung, dass die Parteien das Geschäft ausdrücklich als "Fixgeschäft" bezeichnet haben, solange es sich nur inhaltlich um eines handelt.
     

  • Von nachträglicher Unmöglichkeit spricht man, wenn nach Vertragsschluss ein Hindernis auftaucht, das der Vertragserfüllung dauerhaft entgegensteht. 

    Beispiel: Die Antiquität verbrennt, nachdem der Kaufvertrag geschlossen wurde, aber bevor sie dem Käufer übergeben wurde. Da sie ein Einzelstück war, kann der Kaufvertrag nicht mehr erfüllt werden. Fälle von nachträglicher Unmöglichkeit sind gerade in Zeiten, in denen wegen Covid-19 der Großteil des öffentlichen Lebens pausiert wurde, auf den ersten Blick vielfältig. Es stellen sich aber im Detail schwierige Abgrenzungsfragen. Insbesondere wird man sich häufig darüber streiten können, ob die Vertragserfüllung tatsächlich "dauerhaft" vereitelt ist oder nicht.

Sowohl beim Fixgeschäft-Verzug als auch bei zufälliger nachträglicher Unmöglichkeit sieht die Rechtsordnung vor, dass keine Nachfrist zu setzen ist und der Vertrag sofort "zerfällt". Streng genommen bräuchte man in bestimmten Fällen praktisch nicht einmal eine förmliche Rücktrittserklärung und der Vertrag würde von sich aus aufgelöst. Bereits aus Dokumentationsgründen empfiehlt sich aber jedenfalls auch eine Rücktrittserklärung. Das ist besonders beim Fixgeschäft wichtig, weil dort der Gläubiger alternativ auch darauf bestehen könnte, dass er die Leistung erhalten will (obwohl er sie nicht mehr zum vereinbarten Termin bekommt).

Ab dem Moment, in dem der Vertrag wegfällt, sind beide Parteien frei. Weder muss die eine Partei die Leistung erbringen, noch muss die andere Partei dafür zahlen. Wurde das Entgelt bereits bezahlt, ist dieses zurückzuzahlen. Dasselbe gilt, wenn die Leistung bereits teilweise erbracht wurde. Ist der Wegfall des Vertrags auf ein Verschulden des Schuldners zurückzuführen (was eben auch in Zeiten von Covid-19 der Fall sein kann, siehe die Frage oben), gebührt dem anderen außerdem Schadenersatz. Der kann zum Beispiel darin bestehen, dass dem Gläubiger die Kosten für ein Deckungsgeschäft zu ersetzen sind.

Was ist mit Verträgen, die bestimmte Rechtsfolgen für den Fall von höherer Gewalt (Force Majeure-Klausel) vorsehen?

Manche Verträge enthalten ausdrückliche Bestimmungen für den Fall von höherer Gewalt (worunter, wie oben dargestellt, wohl auch der Ausbruch von Covid-19 fällt). Sie regeln zum Beispiel, dass bei Leistungsstörung wegen höherer Gewalt die eine Vertragspartei zwar nicht mehr leisten, aber die andere Vertragspartei trotzdem zahlen muss.

Grundsätzlich gilt zwar jedenfalls zwischen Unternehmern immer das, was die Parteien vereinbart haben (pacta sunt servanda). Es kann aber auch Situationen geben, in denen die Vereinbarung eine Partei im Vergleich zur anderen Partei so sehr benachteiligt, dass es sittenwidrig ist (dies insbesondere bei Geschäften zwischen Unternehmern und Verbrauchern). Oder es kann Situationen geben, in denen die Vereinbarung zwar an sich nicht sittenwidrig ist, aber aufgrund bestimmter Umstände, die bei Vertragsschluss niemand bedenken konnte, plötzlich sittenwidrig wird.

Eine globale Pandemie von noch nie dagewesenem Ausmaß könnte eine solche Situation sein. Selbst wenn ein Vertrag also ausdrückliche Regeln für den Umgang mit Fällen höherer Gewalt vorsieht, kann es sich lohnen, näher hinzusehen, welche Auswirkungen das konkret auf eine Vertragspartei hat. Sind die Auswirkungen ruinös – was sie im Fall eines Ereignisses der Größenordnung von Covid-19 durchaus sein können – dann wird man vielleicht zum Ergebnis kommen können, dass in einem solchen Ausnahmefall auch die Force Majeure-Klausel anzupassen ist. Das müsste im Streitfall dann aber entsprechend gut rechtlich argumentiert werden.

Ich bin ein österreichischer Unternehmer, aber der Vertrag unterliegt nicht österreichischem Recht. Was gilt?

Unternehmer sind als Vertragsparteien bei der Wahl des anwendbaren Rechts frei. Wer bei Vertragsschluss ausländisches Recht vereinbart, muss aber dann im Streitfall auch ausländisches Recht gegen sich gelten lassen. Genau wie derzeit in Österreich gibt es in vielen Ländern "Covid-19-Anlassgesetze". Man muss deshalb sehr genau darauf achten, wie die spezifische Situation in jenem Land ist, dessen Recht vereinbart wurde. Dessen Gesetze gelten dann nämlich auch.

Grundsätzlich kommt umgekehrt nur dann österreichisches Recht zur Anwendung, wenn auch österreichisches Recht vereinbart wurde (oder gar kein Recht vereinbart wurde und nach internationalem Privatrecht österreichisches Recht greift). Auch hier gibt es aber Ausnahmefälle: Die Insolvenzbestimmungen richten sich zum Beispiel in der Regel nach jenem Recht, in dem der Insolvenzschuldner seinen Sitz hat – unabhängig vom vertraglich vereinbarten Recht (Anderes kann für Zweigniederlassungen im Ausland gelten oder wenn Sitz und Ort der tatsächlichen Verwaltung abweichen). Dasselbe gilt für die Bestimmungen über die Vollstreckung von Urteilen. Auch Pfandrechte werden nach jenem Recht verwertet, wo sich das Pfand befindet.

Außerdem gilt nach internationalem Privatrecht, dass sogenannte Eingriffsnormen (Art 9 Rom I-VO) überhaupt nie ausgehebelt werden können. Dabei handelt es sich um Bestimmungen, deren Einhaltung für die Wahrung des öffentlichen Interesses eines Staates, insbesondere seiner politischen, sozialen und wirtschaftlichen Organisation, als so wichtig angesehen wird, dass sie unabhängig davon gelten, welches Recht vereinbart wurde, solange es nur überhaupt eine Anknüpfung an die Rechtsordnung dieses Staates gibt. Eine solche Anknüpfung könnte zum Beispiel dann gegeben sein, wenn eine Vertragspartei ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in jenem Staat hat. Was genau als Eingriffsnorm gilt, war immer schon höchst strittig. In der Vergangenheit fielen aber zum Beispiel auch gewisse mietrechtliche Regelungen darunter, weshalb man den Anwendungsbereich nicht zu eng fassen darf. Es ist also durchaus vorstellbar, dass auch österreichische "Covid-19-Anlassgesetze" als Eingriffsnormen qualifiziert werden und in jedem Fall gelten, auch wenn ausländisches Recht vereinbart wurde. Zu beachten ist für den umgekehrten Fall, dass Art 9 Rom I-VO neben Österreich auch in (fast) allen anderen EU-Mitgliedstaaten gilt: Auch wenn also mit einem ausländischen Schuldner österreichisches Recht und österreichischer Gerichtstand vereinbart wurde, könnte sich der Schuldner dann vor österreichischen Gerichten genauso auf die "eigene" Eingriffsnorm nach dem Recht seines Sitzstaats berufen.

Besonders herausfordernd ist die Rechtslage, wenn zwar ausländisches Recht vereinbart wurde, aber kein entsprechender ausländischer Gerichtsstand oder zumindest kein ausschließlicher entsprechender ausländischer Gerichtsstand (was praktisch nicht so selten vorkommt). Dann kann nämlich die Situation eintreten, dass das anwendbare Recht und der Gerichtsstand auseinanderfallen und die Gerichte des einen Landes nach dem Recht eines ganz anderen Landes zu entscheiden haben. Das ist zwar möglich, aber praktisch mit Verzögerungen verbunden. Die Gerichte haben dann außerdem üblicherweise auch die Möglichkeit, bestimmte ausländische Gesetze, die im krassen Widerspruch zur eigenen Rechtsordnung stehen (man nennt das auch: ordre public-widrig sind), unangewendet zu lassen. Gerade bei in jedem Land unterschiedlicher "Ausnahmegesetzgebung" mit Regeln, was in einer Pandemie zu gelten hat, ist durchaus denkbar, dass Gerichte das enger sehen und die "eigenen" Regeln den ausländischen den Vorzug geben. Es kann also auch beim Auseinanderfallen von anwendbarem Recht und Gerichtsstand über Umwege also doch wieder passieren, dass das ursprünglich vereinbarte ausländische Recht nicht in vollem Umfang gilt.

Kurz zusammengefasst: Das vereinbarte anwendbare Recht gilt zwar an sich. Wer damit nicht zufrieden ist, sollte aber genau hinsehen, ob das auch für die konkrete Sachverhaltskonstellation zutrifft.

Was ist beim Neuabschluss von Verträgen zu beachten?

Eine andere Beurteilung wird dann vorzunehmen sein, wenn der Vertrag jetzt neu abgeschlossen wird oder zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wurde, zu dem die Auswirkungen der aktuellen Krise auf die Möglichkeit zur Leistungserbringung schon absehbar waren.

Sagt also jemand jetzt beispielsweise die Lieferung von Atemschutzmasken zu, so wird sein Kunde davon ausgehen dürfen, dass er zur Lieferung auch in der Lage ist. Klärt der Lieferant nicht darüber auf, dass die Erbringung der Leistung nicht gesichert ist, wird er sich in der Regel nicht auf höhere Gewalt berufen können. Für neue Ereignisse, wie etwa eine Beschlagnahme von medizinischen Gütern durch den Staat, gilt aber wieder das oben Gesagte.

In neu abgeschlossenen Verträgen wird daher besonderes Augenmerk darauf zu legen sein, in welchen Fällen die Verpflichtung zur Leistung entfallen kann und auch, wie lange sie hinausgeschoben werden kann. So wird der Kunde etwa kein Interesse an der Lieferung von Atemschutzmasken mehr haben, wenn diese erst nach Beseitigung oder zumindest massiver Eindämmung der aktuellen Gefahrenlage erfolgt.

Wieviel dürfen "Mangelprodukte" (zum Beispiel Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken) kosten?

Unternehmer sind zwar grundsätzlich frei darin, den Preis für ihr Produkt selbständig festzulegen. Das Gesetz setzt aber auch – und gerade – in Krisenzeiten Grenzen bei der Preisgestaltung. Weicht der Preis zu sehr vom tatsächlichen "Wert" (siehe dazu gleich unten) des Produkts ab, dann kann das zur Ungültigkeit des Geschäfts führen:

  • Jedenfalls soll das dann gelten, wenn das Produkt nicht einmal die Hälfte dessen Wert ist, was der Verkäufer dafür verlangt (sogenannte "Verkürzung über die Hälfte").
  • Aber auch wenn der Wert des Produkts sonst in einem "auffallenden Missverhältnis" zum Preis dafür steht und der Verkäufer gleichzeitig die Zwangslage oder Gemütsaufregung des Käufer ausnützt (während einer Pandemie durchaus vorstellbar), kann das wegen Verstoßes gegen das Wucherverbot zur Nichtigkeit des Vertrags führen. In ganz krassen Fällen kann so ein Verhalten auch strafrechtlich verfolgt werden (§ 154 StGB).

Sowohl bei der Verkürzung über die Hälfte als auch beim Wucher hat der Käufer die Wahl, ob er den Vertrag vernichten (anfechten) oder daran festhalten will. Der Käufer muss hier also tätig werden.

Die Kernfrage dabei ist aber, was in Ausnahmezeiten tatsächlich der "Wert" bestimmter Produkte ist. Die Nachrichten waren die vergangenen Wochen voll mit Berichten über Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken, die für das Mehrfache ihres noch am Jahresanfang aufgerufenen Preises verkauft wurden. Allerdings war die Welt am Jahresanfang auch noch eine ganz andere und beide Produkte waren in praktisch unbegrenzter Menge verfügbar. Das ist mittlerweile nicht mehr der Fall und die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem. Deshalb sind nicht nur die Kosten beim Endverbraucher, sondern auch die Einkaufskosten in der Lieferkette – bis hinunter zu den Materialien, die für die Produktion von Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken benötigt werden – gestiegen. Das wird wohl bei der Bemessung des tatsächlichen Werts eines Produkts und daran anknüpfend der Frage, ob ein nichtiges Geschäft vorliegt, zu berücksichtigen sein.

Fallen Verzugszinsen an, wenn ich wegen des Ausbruchs von Covid-19 meine Schulden nicht zahlen kann?

Verträge sind auch in Katastrophenzeiten einzuhalten und eine Pandemie ist kein Grund, seine Schulden nicht zu bezahlen. Auch wenn man schuldlos, zum Beispiel weil der eigene Betrieb von einer temporären Zwangsschließung betroffen ist, über keine ausreichende Liquidität verfügt, wird eine Geldschuld am vereinbarten Termin fällig. Für jeden Tag, an dem eine Geldschuld fällig ist, aber nicht bezahlt wird, fallen deshalb auch Verzugszinsen an.

Um diese Rechtsfolge etwas abzumildern, sieht § 3 2. Covid-19-JuBG (veröffentlicht als Art 37 des 4. Covid-19-Gesetzes, BGBl I 2020/24) allerdings eine Deckelung der Verzugszinsen auf 4 % (pro Jahr) vor. Diese Deckelung ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:

  • Der Vertrag muss vor dem 1.4.2020 geschlossen worden sein.
  • Die Zahlung muss zwischen dem 1.4.2020 und dem 30.6.2020 fällig geworden sein oder fällig werden.
  • Die Schuld wurde nicht oder nicht vollständig entrichtet, weil der Schuldner als Folge der Covid-19-Pandemie in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtig ist.

Die Deckelung gilt sowohl bei Verbraucherverträgen als auch bei Unternehmerverträgen. Sie ist mit 30.6.2022 befristet (§ 17 Abs 2 2. COVID-19-JuBG). Ab dem darauffolgenden Tag gelten wieder wie gewöhnlich die vereinbarten oder sonstigen gesetzlichen Zinsen (§ 1000 ABGB, § 459 UGB).

Wenn die oben genannten Voraussetzungen vorliegen, muss der Schuldner dem Gläubiger übrigens auch keine Kosten für außergerichtliche Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen ersetzen. Da das Gesetz jedoch nur eine Deckelung der Verzugszinsen vorsieht, aber nicht verhindert, dass Schulden zum vereinbarten Termin fällig werden, kann der Gläubiger weiterhin ab Tag 1 der Fälligkeit klagen und bei Obsiegen wie sonst auch Kostenersatz nach der ZPO verlangen. Die eigenen Schulden einfach nicht zu bezahlen kann also auch in Corona-Zeiten teuer werden und es ist unbedingt zu empfehlen, sich in ansonsten unstrittigen Fällen mit dem Gläubiger ins Einvernehmen zu setzen.

Mein Vertrag sieht eine Konventionalsrafe vor. Gilt diese auch bei Nichterfüllung wegen Covid-19?

Sowohl für verschuldensabhängige als auch für verschuldensunabhängige Konventionalstrafen (Vertragsstrafen) sieht § 4 2. Covid-19-JuBG (veröffentlicht als Art 37 des 4. Covid-19-Gesetzes, BGBl I 2020/24) eine Sonderregel vor. Die Verpflichtung zur Konventionalstrafe entfällt danach – auch zwischen Unternehmern – unter folgenden Voraussetzungen:

  • Der Vertrag muss vor dem 1.4.2020 geschlossen worden sein.
  • Der Schuldner muss in Verzug geraten sein, weil er entweder in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist oder die Leistung wegen der Beschränkungen des Erwerbslebens nicht erbringen kann.

Im Unterschied zur Erleichterung bei Verzugszinsen (siehe die Frage unmittelbar davor) ist die Erleichterung bei Konventionalstrafen nicht auf die Fälligkeit der Schuld im zweiten Quartal 2020 beschränkt. Spätestens ab 30.6.2022, wenn die Sonderbestimmung wieder außer Kraft tritt (§ 17 Abs 2 2.Covid-19-JuBG), können aber auch wieder Konventionalstrafen anfallen.

Außerdem sind die subjektiven Voraussetzungen im Unterschied zur Bestimmung über die Verzugszinsen weiter gesteckt: Es wird entweder auf die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit oder auf Beschränkungen des Erwerbslebens abgestellt. Der Gesetzgeber denkt dabei laut den Erläuterungen entweder an rechtliche Einschränkungen (zum Beispiel Quarantänemaßnahmen in dem Ort, in dem sich die Baustelle befindet) oder faktische Einschränkungen (zum Beispiel wegen des Gebots von "Social Distancing").

Ist die Nichterfüllung nur teilweise auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführen, entfällt die Konventionalstrafe laut dem Gesetzgeber übrigens auch nur zu genau jenem Teil. Der restliche Teil ist zu zahlen. Selbst wenn der Vertrag also die oben genannten Voraussetzungen erfüllt, heißt das noch nicht, dass dem Schuldner tatsächlich die volle Konventionalstrafe erlassen wird. Stattdessen wird im Einzelfall zu prüfen sein, wie stark die Pandemie überhaupt dazu beigetragen hat, dass er säumig wurde – und inwieweit er den Vertrag auch ohne Pandemie niemals rechtzeitig erfüllen hätte können und deshalb zumindest auch anteilig die vereinbarte Konventionalstrafe zahlen muss. Schließlich soll niemand anlässlich der Pandemie profitieren.