Update zu Lieferketten und Corporate Sustainability Due Diligence Directive: Neuer Entwurf mit noch strengeren Regeln und hohen Strafen

Der Entwurf der Corporate Sustainability Due Diligence Directive ("CSDDD") wurde in der Vergangenheit etwas verniedlichend immer wieder auch als "Europäisches Lieferkettengesetz" bezeichnet. Diese Zeit dürfte jetzt endgültig vorbei sein. Klar ist nun, dass er – geht es nach dem jüngsten Entwurf – weit über konventionelle Lieferketten-Regeln hinaus reichen soll.

Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments einigte sich am 25.4.2023 nämlich auf einen geänderten Text, der massive Verschärfungen bringt. Ausgeweitet wurden sowohl der Kreis der erfassten Unternehmen, der Umfang der Sorgfaltspflichten, die Haftung der Geschäftsführung als auch die Strafen.

Sie finden hier einen Überblick zum zuletzt veröffentlichen Entwurf der CSDDD aus Februar 2022 und hier die Antworten auf drängende praktische Fragen dazu. Die wichtigsten Änderungen am bisherigen Entwurf der CSDDD sind:

  • Mehr Unternehmen erfasst: Erfasst sind zukünftig Unternehmen mit Sitz in der EU, die mehr als 250 Mitarbeiter:innen und einen weltweiten Umsatz von mehr als EUR 40 Millionen aufweisen. Unternehmen, die keinen Sitz in der EU haben, sind ab einem weltweiten Umsatz von mehr als EUR 150 Millionen und einem in der EU generierten Umsatz von mehr als EUR 40 Millionen ebenfalls erfasst. Die Schwellen wurden also im Vergleich zum vorigen Entwurf massiv gesenkt.
  • "Wertschöpfungskette" ausgeweitet: Der vage Begriff der "Wertschöpfungskette" stieß in der Vergangenheit immer wieder auf Kritik. Die Hoffnung war, dass der Gesetzgeber eine einschränkende Definition vornehmen würde, zB eine Due-Diligence-Pflicht bezogen nur auf den unmittelbaren Vertragspartner wie im deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil wurde der Begriff sogar noch ausgeweitet. Der Rechtsausschuss stellte klar, dass es nicht nur um Lieferant:innen geht. Es geht um überhaupt alle geschäftlichen Aktivitäten ("chain of activities"), insbesondere jene, die mit Handel, Verkauf und Transport zu tun haben.
  • "Engagement Policy": Die sogenannte "Engagement Policy", also mit Stakeholder:innen in einen regelmäßigen Austausch über ESG-Faktoren und ESG-Risiken zu treten, wird zur Pflicht. Das betrifft zB gerade auch sehr kleine Vertragspartner:innen (zB kleine Landwirtschaftsbetriebe). Wie die verpflichteten Unternehmen einen solchen Multi-Stakeholder-Dialog mit potenziell hunderten oder tausenden Vertragspartner:innen bewältigen sollen, ist noch völlig offen.
  • Finanzdienstleistungsindustrie: Zwischenzeitlich wurde diskutiert, Unternehmen der Finanzdienstleistungsindustrie nicht mehr ausdrücklich aufzunehmen. Das scheint vom Tisch. Banken, Versicherungen, sonstige Finanzdienstleister:innen und bestimmte Investor:innen unterliegen weiterhin jedenfalls der CSDDD.
  • Hohe umsatzabhängige Strafen: Wer gegen die CSDDD verstößt, soll mit hohen Strafen rechnen müssen. Im Gespräch sind 5 % des weltweiten Umsatzes und das Verbot, zukünftig an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen zu dürfen.
  • Haftung der Geschäftsführer:innen: Ein großes Hin und Her gab es auch bei der persönlichen Haftung der Geschäftsführer:innen. In Zwischenentwürfen wurde diese gestrichen. Der Rechtsausschuss fügte sie wieder ein. Die persönliche Haftung erstreckt sich insbesondere auch auf die Verfolgung und Erreichung von Klimazielen.

Zusammengefasst bringt der neue Entwurf in praktisch allen Bereichen noch strengere Regeln. Lang erhoffte Klarstellungen – insbesondere darüber, welche Rechte die CSDDD überhaupt schützt – blieben hingegen aus. Der Nachhaltigkeits-Begriff ist weiterhin sehr vage.

Die EU plant, den neuen Text Ende Mai/Anfang Juni 2023 im Europäischen Parlament zu behandeln. Anschließend folgt der Trilog, der noch in diesem Jahr abgeschlossen sein soll. Sobald eine finale Fassung vorliegt, haben Unternehmen je nach Größe drei bis vier Jahre, um sich auf das Inkrafttreten vorzubereiten. Das ist nicht viel Zeit.

Womit man jetzt schon beginnen kann, haben wir hier zusammengefasst. Im Kern geht es aus unserer Sicht darum, schon heute einen pragmatischen, risikobasierten Ansatz zu etablieren: Was unmöglich ist, kann nicht geschuldet werden – niemand kann die Mängelfreiheit seiner gesamten Wertschöpfungskette garantieren. Es geht stattdessen um ein sorgfältiges Bemühen und insbesondere darum, die neuen Rechte und Pflichten vertraglich mit den Vertragspartner:innen zu verankern.

Wir stehen jederzeit gerne für ein Gespräch dazu bereit.