Greenwashing – Verbraucherschutzverbände treten bei Werbeprüfungen aufs Gas

Der VKI schlägt einen verschärften Kurs bei Werbeprüfungen ein: "Wir vom VKI wollen mehr Greenwashing-Rechtsprechung in Gang setzen!", betonen die Konsumentenschützer (vgl hier).

Nach dem schon im Frühjahr ausgerufenen Schwerpunkt zur Bekämpfung von Greenwashing geht der VKI nun regelmäßig gegen UWG-Verstöße mit grüner Werbung vor. Im Rahmen des Greenwashing-Checks prüft er gemeldete Beispiele, stellt Unternehmen manchmal auch öffentlich zur Rede und klagt oft auch ohne vorherige Aufforderung auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung. Seine ersten Erfolge feierte der VKI im Juni dieses Jahres mit einem Urteil gegen eine Bierbrauerei. Ende September wurde ein neues Urteil gegen eine Fluglinie veröffentlicht. Das ist erst der Anfang. "Andere Verfahren sind anhängig bzw in Vorbereitung", so der VKI (vgl hier).

Aktuelle Rechtsprechung

  • CO2-neutraler Brauprozess

Im ersten Fall hat der VKI einer Brauerei Greenwashing wegen der Nutzung folgender Slogans vorgeworfen:

"CO2 neutral gebraut"
"Wir brauen seit 2015 zu 100% C02 neutral"
"100% des Energiebedarfs für den Brauprozess kommen aus erneuerbaren Energien"

Seiner Meinung nach würden Verbraucher erwarten, dass der Brauprozess ab der Ernte und damit inklusive dem Mälzprozess komplett ohne Ausstoß von Treibhausgasen erfolge. Da die Brauerei aber bei Mälzereien zukaufte, die für das Mälzen einen erheblichen CO2-Ausstoß verursachen, seien die Angaben nach § 2 UWG irreführend. Das sah die Brauerei anders: Die Allgemeinheit würde unter dem Brauvorgang nur die Verarbeitung von Wasser, Hopfen und Malz verstehen und nicht auch das vorgelagerte Mälzen.

Das Gericht erster Instanz folgte Größtenteils dem VKI. Obwohl der Mälzprozess rein technisch nicht zum Brauprozess dazuzähle, würde der informierte Durchschnittsverbraucher keine Differenzierung vornehmen. Die Brauerei hätte das Publikum auch nicht ausreichend aufgeklärt, sondern im Gegenteil das Mälzen sogar als Teil des Brauprozesses dargestellt. In einem Punkt folgte das Erstgericht aber den Argumenten des Werbenden: Unternehmen sind bei Heraushebung einzelner CO2-neutraler Produktionsschritte nicht zwingend verpflichtet, diese in Relation zur insgesamt vom Produkt verursachten Klimabelastung zu setzen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

  • CO2-neutral fliegen

Im jüngsten rechtskräftigen Urteil 29 Cg 62/22z gegen eine Fluglinie ging es um folgende grüne Werbebotschaft:

"CO2-neutral zur Biennale fliegen? Für uns keine Kunst! 100 % SAF"
"Denn gemeinsam mit dem Flughafen Wien und Venezia Airport bringen wir Sie mit nachhaltigem Flugkraftstoff (SAF) zur Biennale Arte nach Venedig."

Passagiere konnten gegen einen beträchtlichen Aufpreis eine Nachhaltigkeitsoption buchen. In diesem Fall wurde laut Fluglinie der jeweilige persönliche Treibstoffverbrauch berechnet und die entsprechende Menge SAF zukünftigen Flügen beigemengt.

Das Gericht erachtet darin eine Irreführung. Aufgrund der blickfangartigen Hervorhebung von "100 %SAF" suggeriert die Werbung, dass bereits der angetretene Flug mit 100 % SAF durchgeführt wird. SAF ist ein nachhaltiger Flugkraftstoff, der herkömmlichem Kerosin aber nur bis zu 5 % beigemischt werden darf. Damit ist es zudem per se unmöglich, CO2-neutral mit 100 % SAF zu fliegen. Der Werbende hat darüber auch nicht ausreichend aufgeklärt.

Entscheidungen im Einklang mit der bisherigen Judikatur

Die jüngsten Entscheidungen folgen im Wesentlichen der bisherigen Judikatur und kommen nicht überraschend:

  • Umweltangaben müssen eindeutig belegt sein und eine Irreführung der umworbenen Verkehrskreise ausschließen.
  • Bei mehrdeutigen Werbeaussagen gilt dies für jede vertretbare Auslegung des Claims.
  • Für die Täuschungseignung des Zielpublikums ist ein ökobewusster, sozialer, sensibler Durchschnittsverbraucher heranzuziehen.
  • Soweit Hinweise auf soziale und ökologische Aspekte missverstanden werden können, ist der Werbende zur näheren Aufklärung verpflichtet.

Dabei sind gerade pauschale Angaben wie "CO2-neutral" unabhängig von der Branche besonders kritisch. Wie die obigen Beispiele auch zeigen, werden sie nämlich häufig nicht trennscharf verwendet. Das führt dazu, dass Gerichte die nachhaltigen Produktmerkmale großzügig fassen. Können sie nicht belegt werden, ist die Aussage objektiv unrichtig und damit irreführend.

Fazit und Ausblick auf Green Claims-Regulierung

Grüne Werbebotschaften können relativ schnell die Grenzen unlauterer Werbung überschreiten. Texte und Werbeaussagen sollten daher proaktiv einer Überprüfung unterzogen werden. Nur so kann das Risiko einer wettbewerbswidrigen Geschäftspraktik frühzeitig erkannt und minimiert werden.

Die Durchsetzung von UWG-Ansprüchen im Green Marketing wird für Konsumentenschützer und Konkurrenten zukünftig noch wesentlich einfacher. Mit der rasch voranschreitenden Umsetzung der Green Claims-Richtlinie (COM/2023/166) und Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen (COM/2022/143) wird die grüne Bewerbung strenger reguliert. Ein Inkrafttreten ist bereits mit 2024 geplant. Zu den Eckpunkte der geplanten Neuerungen im Überblick:

  • Es werden striktere Belegpflichten für Green Claims eingeführt;
  • Zudem steht im Raum, dass jede Umweltbehauptung auch durch eine externe Stelle geprüft werden muss;
  • Die Nutzung von Umweltsiegeln wird stark eingeschränkt;
  • Schließlich sollen die UWG-Tatbestände um konkrete grüne Geschäftspraktiken ergänzt werden. Das erfasst beispielsweise auch die Ergänzung der per-se-Verbote in der Schwarzen Liste um unbelegte, allgemeine Umweltaussagen wie zB "umweltfreundlich", "umweltschonend", "öko", "grün", "CO2-neutral" etc oder ungeprüfte Nachhaltigkeitssiegel, wie etwa Phantasiekennzeichen.

Im Hinblick auf die bevorstehende ESG- und PR- Strategieplanung für 2024 macht es daher Sinn, sich frühzeitig mit den aktuellen und zukünftigen Werbebeschränkungen zu beschäftigen.