DSGVO Update: Der Schutz personenbezogener Daten im Spannungsfeld von Informationsfreiheit und Medienprivileg

Medien und öffentliche Stellen standen aufgrund ihrer entgegengesetzten Interessen schon seit jeher im Spannungsfeld von Datenschutz und Pressefreiheit. Die heiklen Abwägungsfragen und grundlegenden Wertungen haben eine hohe – auch branchenübergreifende – Relevanz. In der aktuellen Rechtslandschaft stehen nun durch die aktuell politisch heiß diskutierte Neuregelung des Medienprivilegs und das Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes wesentliche Änderungen unmittelbar bevor. Unsere DORDA Datenschutzexperten haben diese gerne für Sie zusammengefasst:

Rückblick: Medienprivileg des § 9 DSG tritt im Juni außer Kraft

Der VfGH hat Anfang letzten Jahres die im DSG verankerte Ausnahme von der DSGVO für journalistische Tätigkeiten ("Medienprivileg", § 9 DSG) aufgehoben (wir haben im Jänner 2023 dazu berichtet). Die vom österreichischen Gesetzgeber auf Grundlage der Öffnungsklausel des Art 85 DSGVO eingeführte Pauschalausnahme von sämtlichen Regelungsbereichen ging dem Gerichtshof zu weit. Vielmehr sei gesetzlich eine sachgerechte Interessensabwägung vorzusehen. Die Regelung gilt in der aktuellen Form daher nur mehr bis 30.6.2024 und tritt danach außer Kraft. Die vom Gerichtshof geforderte differenzierte Regelung wird laut Medienberichten aktuell zwischen den Koalitionspartnern verhandelt. Noch gibt es keinen (offiziellen) Entwurf.

Das Medienprivileg ist innerhalb Europas sehr unterschiedlich umgesetzt: Zahlreiche Mitgliedstaaten haben – wie Österreich – Art 85 mehr oder weniger wortgleich in ihr nationales Gesetz übernommen. Schweden und Litauen haben die Ausnahme demgegenüber spezifisch auf konkrete Regelungen und Sachverhalte eingeschränkt – dieser Ansatz ist auch für die Zukunft in Österreich sehr wahrscheinlich. Denkbar sind auch vom Gesetzgeber vorgegebene Interessensabwägungen für den Einzelfall. Allerdings wurde eine vergleichbare Regelung in Bulgarien vom nationalen Verfassungsgerichtshof ebenfalls aufgehoben, weil der Kriterienkatalog die erforderliche Einzelfallabwägung beschränkt hat. Noch Bestand haben die differenzierten Regelungen in Deutschland, die ua Voraussetzungen vorsehen, unter denen ein Auskunftsanspruch gegen ein Medienunternehmen durchgesetzt werden kann.

Noch ist offen, welchen Ansatz der österreichische Gesetzgeber wählen wird. Mit dem Wegfall der Pauschalausnahme werden sich aber jedenfalls vermehrt heikle Abwägungsfragen stellen. Deren Wertungen und Ergebnisse werden auch für andere Branchen Relevanz haben, insbesondere wenn sich ein Verantwortlicher auf berechtigte Interessen stützt.

Ausblick: Das neue Informationsfreiheitsgesetz

Ein scheinbarer Kontrast zum Wegfall des Medienprivilegs ist demgegenüber die Abschaffung des Amtsgeheimnisses: Das neue Grundrecht auf Informationszugang und das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) bringen ab September 2025 ein grundlegendes Umdenken im Hinblick auf die Erleichterung des Zugangs zu staatlichen und staatsnahen Informationen wie Tätigkeitsberichten, Geschäftsordnungen, Studien, Gutachten, Umfragen und Stellungnahmen. Diesen ist gemein, dass sie auch personenbezogene Daten enthalten können. Staatliche Transparenz wird zum Regelfall, Geheimhaltung zur Ausnahme.

Konkret werden Organe der Gesetzgebung, Vollziehung und Rechtsprechung – mit Ausnahme von sehr kleinen Gemeinden und Gemeindeverbänden – zur proaktiven Information verpflichtet (§ 4 IFG, vgl die Plattform Offene Daten Österreich). Außerdem wird ein allgemeines Recht auf Zugang zu Informationen etabliert. Einem entsprechenden Antrag ist – vergleichbar mit einem datenschutzrechtlichen Auskunftsbegehren – binnen vier Wochen zu entsprechen. Eine (teilweise) Verweigerung der Herausgabe bzw Schwärzung ist aus den Geheimhaltungsgründen des § 6 IFG möglich, unter anderem aufgrund überwiegender berechtigter Interessen zur Wahrung des Grundrechts auf Datenschutz. Liegt keine Einwilligung des Betroffenen zur Datenausfolgung vor, muss also eine einzelfallbezogene Abwägung der gegenläufigen Geheimhaltungs- und Informationsinteressen erfolgen. Hierbei sind zahlreiche Faktoren zu berücksichtigen, wie zB Sensibilität der Daten, der Schutz von Berufs-, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen, wettbewerbliche Interessen.

In dieses Bild fügt sich auch die jüngste Rechtsprechung des EuGH ein: Anfang März 2024 nahm er zur Abwägung für die Herausgabe von strafgerichtlichen Verurteilungen aus dem Personenregister eines Gerichts an die Öffentlichkeit Stellung (C-740/22): Konkret könne die Beauskunftung auf der Grundlage von Art 6 Abs 1 lit e DSGVO zur Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse zulässig sein. Darunter falle auch das Interesse, der Öffentlichkeit Zugang zu amtlichen Dokumenten zu gewähren (vgl auch ErwGr 154 DSGVO). Hierbei sei aber zu prüfen, ob die Übermittlung angesichts der Schwere des durch sie bewirkten Eingriffs in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten im Hinblick auf das verfolgte Ziel gerechtfertigt und verhältnismäßig ist.

Fazit: Einzelfallgerechtigkeit geht zu Lasten von Rechtssicherheit

Die beiden Gesetzesänderungen werden insbesondere die Arbeitsweise von Medienhäusern und Journalisten verändern: Auf der einen Seite werden ihre Recherche- und Offenlegungsmöglichkeiten mit dem Wegfall des pauschalen Medienprivilegs eingeschränkt. Auf der anderen Seite erhalten sie gegenüber öffentlichen Stellen mehr Rechte. Beide haben aber eines gemeinsam: Es wird wohl jeweils auf eine Abwägung im Einzelfall hinauslaufen. Das wird zwangsläufig in einer sehr differenzierten, einzelfallbezogenen Rechtsprechung münden – und damit in eingeschränkte Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit für Betroffene wie auch Medienunternehmen und Journalisten.

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