Endrenovierungsverpflichtung des Mieters: Gibt es sie noch?

Typischerweise verpflichten Mietverträge über Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten den Mieter dazu, das Bestandobjekt bei Beendigung des Mietverhältnisses neu ausgemalt und in neuwertigem Zustand zurückzustellen ("Endrenovierungsverpflichtung"). Eine solche typische Klausel stand in der jüngsten Klausel-Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) vom 27.2.2O12 auf dem Prüfstand: "Das Mietobjekt ist bei Beendigung ordnungsgemäß in weißer Farbe ausgemalt sowie unter Herstellung des Zustandes der Oberflächenbeläge (z. B. Fliesen, Bodenbeläge) wie bei Anmietung unter Berücksichtigung der bei schonendem vertragskonformem Gebrauch sich ergebenden Abnutzung zurückzustellen."

Der OGH nahm diese Klausel zum Anlass, die Zulässigkeit solcher Endrenovierungsverpflichtungen ausführlich zu untersuchen und ihre Grenzen abzustecken. Für den Vertragsverfasser enthält die Entscheidung nützliche Hinweise darauf, unter welchen Voraussetzungen eine solche Endrenovierungsverpflichtung im Dickicht zwischen Mieter- und Konsumentenschutz einerseits und Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) andererseits wirksam vereinbart werden kann.

GESETZLICHE AUSGANGSLAGE
Zunächst ist von Interesse, welche Pflichten bereits das Gesetz dem Mieter anlässlich der Rückgabe des Bestandobjekts auferlegt. § 1109 ABGB sieht vor, dass der Bestandnehmer die Bestandsache "in dem Zustand, in welchem er sie übernommen hat", zurückstellen muss. Rein wörtlich genommen wäre der Mieter daher nach § 1109 ABGB dazu verpflichtet, das Mietobjekt vor Rückgabe jenem Zustand entsprechend zu sanieren, in dem er es bei Beginn des Mietverhältnisses auch übernommen hat.

§ 1109 ABGB wird allerdings zugunsten des Mieters einschränkend verstanden. Nach herrschender Ansicht muss der Mieter Abnützungserscheinungen, die auf die gewöhnliche Nutzung des Mietgegenstands zurückzuführen sind, nicht beheben - diese gelten mit Zahlung des Mietzinses als abgegolten.  Der Mieter ist vor Rückgabe des Bestandgegenstands lediglich dazu verpflichtet, Spuren eines übermäßigen/ungewöhnlichen Gebrauchs zu sanieren. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt; beispielsweise muss der Mieter von ihm angebrachte "besonders auffällige Wandfarben" vor Rückgabe an den Vermieter weiß übermalen.

VERTRAGSKLAUSEL AUF DEM PRÜFSTAND
Der OGH hat nun die Ausmalverpflichtung (den ersten Teil der Klausel) und die Verpflichtung zur Erneuerung der Fliesen und Bodenbeläge (den zweiten Teil) getrennt behandelt und kommt letztlich auch zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Der zweite Teil der Klausel, der die Sanierung der Oberflächenbeläge regelt, nimmt ausdrücklich auf den vertragskonformen Gebrauch des Objekts Bezug. Herzustellen sei der "Zustand der Oberflächenbeläge (z. B. Fliesen, Bodenbeläge) wie bei Anmietung unter Berücksichtigung der bei schonendem vertragskonformem Gebrauch sich ergebenden Abnutzung". Vereinfacht bedeutet das, dass der Mieter nur für Abnützungserscheinungen aufgrund exzessiven Gebrauchs aufkommen muss. Damit gibt aber dieser Teil der Endrenovierungsklausel bloß die ohnehin bereits bestehende gesetzliche Regelung wieder und kann somit nicht unzulässig sein. Eine weitere rechtliche Prüfung erübrigt sich somit.

Die vereinbarte Ausmalverpflichtung des Mieters ist hingegen nicht auf die Behebung von übermäßigen/unüblichen Abnützungserscheinungen beschränkt. Nach ihrem Wortlaut muss der Mieter daher - bei mieterfeindlichster Auslegung der Klausel, die der OGH hier zu Prüfzwecken vornahm - jedenfalls für einen neuen weißen Anstrich sorgen. Damit liegt in der Tat eine Abweichung von der gesetzlichen Ausgangslage des § 1109 ABGB vor. Eine solche Abweichung ist nicht per se unzulässig, weil § 1109 ABGB - im Gegensatz zu den zwingenden Bestimmungen des MRG -dispositiv ist. Hier eröffnet sich nun aber das weite Feld für eine Prüfung unter den Gesichtspunkten Mieter- und Konsumentenschutz sowie AGB-Recht.

MIETERSCHUTZ - VOLLANWENDUNGSBEREICH DES MRG
Im Vollanwendungsbereich des MRG verpflichtet § 3 Abs 2 Z 2 MRG den Vermieter dazu, Erhaltungsarbeiten am Bestandgegenstand vorzunehmen, sofern diese zur Behebung ernster Schäden des Hauses oder einer erheblichen Gesundheitsgefährdung notwendig sind. Ein neuer Wandanstrich ist allerdings -abgesehen etwa von Fallen starker Schimmelbildung - kaum jemals zur Behebung eines ernsten Schadens oder einer Gesundheitsgefährdung notwendig, sodass der Anstrich nicht in den Verantwortungsbereich des Vermieters fällt. Der Mieterschutz des MRG ist hier zahnlos. Die Vereinbarung einer Endrenovierungsklausel, die den Mieter auch zur Sanierung üblicher Gebrauchsabnutzung verpflichtet, scheitert damit - abgesehen etwa von der erwähnten Sanierung starker Schimmelbildung - nicht an den Bestimmungen des MRG.

KONSUMENTENSCHUTZ
Steht der Mieter als Konsument einem Vermieter gegenüber, der als Unternehmer agiert, kommt auf das Mietverhältnis -unabhängig von der Anwendbarkeit des MRG -das KSchG zur Anwendung. § 9 Abs 1 KSchG regelt, dass eine Beschränkung von Gewährleistungsrechten des Verbrauchers nicht zulässig ist. Ist diese Bestimmung ein Stolperstein für die Vereinbarung einer Endrenovierungsverpflichtung?

In seiner Entscheidung vom 11.1O.2006 hatte der OGH ebenfalls eine Endrenovierungsklausel zu beurteilen {"Der Mietgegenstand ist ... in ordnungsgemäßem Zustand, d. h. wie bei Mietbeginn übernommen, jedenfalls neu ausgemalt zurückzustellen"), die den Mieter zur Beseitigung üblicher Gebrauchsspuren verpflichtete. Der OGH erachtete diese Klausel unter Hinweis auf § 9 KSchG als unzulässig.

In der jüngsten Klauselentscheidung ruderte der OGH hier allerdings wieder zurück. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Endsanierung eines Bestandgegenstands nicht als Erhaitungspflicht zu qualifizieren ist. Denn es gehe nicht um die Erhaltung des Mietobjekts wahrend der Mietdauer, für die auch periodenweise Mietzins bezahlt werde, sondern stelle eine einmalige, geldwerte Leistung zum Ende der Mietdauer dar. Als Konsequenz kann § 9 KSchG auf die Vereinbarung einer Endrenovierungspflicht gar nicht anwendbar sein; das Konsumentenschutzrecht steht einer solchen Vereinbarung somit nicht im Weg.

AGB-RECHT
Der OGH hatte jedoch noch einen Trumpf im Ärmel: die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. § 879 Abs 3 ABGB sieht vor, dass eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Bestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig ist, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt.

Der OGH kam zum Zwischenergebnis, dass die Ausmalverpflichtung im Normalfall keine eigenständige Hauptleistung (nämlich Überlassung des Objekts gegen Zahlung von Mietzins) darstellt und § 879 Abs 3 ABGB somit grundsätzlich anwendbar ist. Im Anschluss an dieses Zwischenergebnis griff der OGH auf seine bereits gängige Formulierung zurück, dass eine Klausel insbesondere dann gröblich benachteiligend sein kann, wenn ihr Inhalt vom dispositiven Recht abweicht und es für diese Abweichung keine sachliche Rechtfertigung gibt. Im konkreten Ergebnis erkannte der OGH nun, dass für die Ausmalverpflichtung keine sachliche Rechtfertigung vorlag; das Interesse des Vermieters, den Bestandgegenstand möglichst rasch und ohne eigenen Kostenaufwand neu vermieten zu können, erachtete der OGH nicht als schutzwürdig. Die Ausmalverpflichtung ohne sachliche Rechtfertigung war damit nach § 879 Abs 3 ABGB nichtig.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK FÜR DIE PRAXIS
- Vertragsklauseln, die den Mieter nur dazu verpflichten, nach Beendigung des Mietverhältnisses die Spuren eines übermäßigen/ungewöhnlichen Gebrauchs zu beheben, entsprechen bereits der dispositiven Rechtslage. Sie sind sowohl im Vollanwendungsund Teilanwendungsbereich des MRG als auch im Voliausnahmebereich zulässig.
Für den Vertrags Verfasser ist wichtig, Endrenovierungspf lichten im Mietvertrag entsprechend diesem Grundsatz zu formulieren; eine genaue Detaillierung der Mieterpflichten - auch wenn sich diese allgemein schon aus dem Gesetz ergeben - ist für den Mieter aber jedenfalls informativ und erspart allenfalls unnötige Diskussionen.
- Vertragsklauseln, die den Mieter dazu verpflichten, den Mietgegenstand neu auszumalen oder auch übliche Abnützungserscheinungen zu sanieren, verstoßen zwar weder gegen § 3 MRG noch gegen § 9 KSchG. Allerdings sind sie in Formularverträgen oder AGB nach § 879 Abs 3 ABGB nichtig, unabhängig davon, ob das Mietverhältnis dem MRG unterliegt oder das KSchG anwendbar ist. Eine Ausmalverpflichtung in sachlich gerechtfertigten Fällen ist aber weiterhin zulässig und sollte sorgfältig im Mietvertrag dargelegt werden -zu denken ist hier beispielsweise an eine Sanierungspflicht im Gegenzug für einen niedrigeren Mietzins oder für eine längere Vertragslauf zeit; jedenfalls sollten die Sanierungskosten für den Mieter vorab erkennbar und steuerbar sein.

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