Seit 11.1.2009 ist die Verordnung (EG) Nr 864/2007 ("Rom II") in Kraft. Sie regelt, welches Recht bei außervertraglichen Schadenersatzansprüchen mit Auslandsbezug anzuwenden ist.
Zu denken ist hier etwa an einen Autounfall mit einem italienischen Lenker in Wien oder einen Badeunfall eines Österreichers beim Urlaub in Griechenland. Bislang musste in solchen Fällen ermittelt werden, ob es rechtliche Kollisionsnormen in jenem Staat gibt, in dem die Schadenersatzklage eingebracht wurde. Durch die neue Verordnung wurden nun aber diese nationalen Rechtsvorschriften, in Österreich z.B. das Internationale Privatrechtsgesetz, verdrängt.
Einheitliche Regelungen
Damit gibt es nun erstmals auch im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse einheitliche gemeinschaftsrechtliche Regelungen für den Kollisionsfall. Rom II kommt jedenfalls dann zur Anwendung, wenn der konkrete Sachverhalt eine Verbindung zum Recht zumindest zweier verschiedener Staaten aufweist. Dabei genügt es, dass nur ein betroffener Staat Mitglied der EU ist.
Freilich gilt die Verordnung nur für bestimmte Bereiche des Zivil- und Handelsrechts. Vom Anwendungsbereich gemäß Art 1 Abs 1 ausdrücklich ausgenommen sind
- Steuer- und Zollfälle,
- verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie
- die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassung im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte, inklusive Amtshaftungsansprüche.
Ebenfalls nicht von Rom II erfasst sind außervertragliche Ansprüche aus der Verletzung der Privatsphäre oder von Persönlichkeitsrechten sowie die Bereiche Gesellschaftsrecht und Vereinsrecht (Art 1 Abs 2 und 3).
Tatsächlicher Eintritt eines Schadens
Bedingung für die Anwendbarkeit der Regelungen von Rom II ist der tatsächliche oder wahrscheinliche Eintritt eines Anspruchs aus einem Schaden. Dabei unterscheidet Rom II folgende Kategorien von schadensbegründenden Ereignissen:
- unerlaubte Handlungen ("deliktischer Schadensfall")
- ungerechtfertigte Bereicherung
- Geschäftsführung ohne Auftrag
- Culpa in contrahendo
Neben den allgemeinen Kollisionsregeln für die Anknüpfung bei einem deliktischen Schadensfall beinhaltet Rom II auch Sondernormen für die Bereiche Produkthaftung, unlauteren Wettbewerb, Umweltschädigung, Arbeitskampfmaßnahmen und Immaterialgüterrechte.
Rechtswahl nach Schadensort oder Wohnsitz beider Parteien
Rom II rückt den Schaden in den Mittelpunkt und bringt dementsprechend eine Abkehr vom bisher geltenden Handlungsort hin zum Erfolgsprinzip: Das Recht des Ortes, wo der Schaden eingetreten ist, soll primär anwendbar sein. Freilich gibt es davon auch Ausnahmen. Haben etwa beide Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort im selben Staat, so kommt das Recht dieses Staats zur Anwendung (Grundsatz der näheren Anknüpfung). So käme etwa bei einem Verkehrsunfall zweier österreichischer Bürger in Italien sinnvollerweise österreichisches (und nicht italienisches) Recht zur Anwendung.
Abgesehen davon haben die Parteien aber die Möglichkeit, selbst zu vereinbaren, welches Recht angewendet werden soll. Das gilt freilich aber nur, wenn der Sachverhalt einen Anknüpfungspunkt zu einem Nicht-Mitgliedsstaat hat. Bei rein EU-nationalen Causen können die Bestimmungen der Verordnung nicht abbedungen werden.
Da Rom II außervertragliche Schadenersatzansprüche betrifft, kann eine Rechtswahlvereinbarung erst nach dem Schadenseintritt getroffen werden. Die Vereinbarung muss ausdrücklich und schlüssig geschlossen werden, um wirksam zu sein. Rechte Dritter (weiterer Geschädigter) bleiben davon unberührt.
Fazit
Rom II hat nun endlich die gemeinschaftsrechtliche Lücke geschlossen, die im Bereich außervertraglicher Ansprüche bei grenzüberschreitenden Sachverhalten bestand. Mit der EU-weiten Vereinheitlichung der Zuständigkeitsregeln sollten Schadenersatzfälle mit Auslandsbezug künftig einfacher abgewickelt werden können.